Albert Einstein soll den durchaus tröstenden Satz gesagt haben: „Mach dir keine Sorgen über deine Schwierigkeiten mit der Mathematik. Ich kann dir versichern, dass meine noch größer sind.“
Von Schwierigkeiten will ich gar nicht sprechen. Diese liegen auch nicht im Verständnisbereich von Performance, sondern in dem wesentlich wichtigeren Motivationsbereich. Anyway.
Ich sitze mit der größten Kaffeetasse, die unser Haushalt zu bieten hat, bis zum Rand gefüllt mit Kaffee am Tisch. So ausgestattet, bin ich bereit, mich mit dem Mathetest meiner Tochter auseinander zu setzen.
Beim ersten Überblick, bleibt mein Blick bei einer Reihenaufgabe Subtraktion hängen, die mein Kind in folgender Weise beantwortet hat:
„Die Beantwortung dieser Frage ist unter meiner Würde.“
„Die Beantwortung dieser Frage ist unter meiner Würde“ steht da in bestmöglicher Kinderschrift. Der Satz ist in das viel zu kleine Antwortfeld gequetscht, welches ja nur Raum für eine Zahl bieten sollte. Mit Füller geschrieben.
Ein kurzer Anflug gemischter Gefühle weicht einem ausgiebigen Lachflash.
Auch wenn mich diese und ähnliche Aktionen als Erziehende heraus fordern.
Auch wenn mein inneres Kind, mit der Gewissheit, niemals zu so viel selbstverständlicher Auflehnung in der Lage gewesen sein zu können, Aktionen wie diese, emotional nicht nachvollziehen kann.
Auch wenn mir spontan nicht einfällt, ob und wie ich diese Entdeckung thematisieren sollte – oder warten, bis die Schule sich meldet. Ehrlich gesagt: vermutlich wird es darauf hinaus laufen.
Mit Blick nach draußen, in Garten und Wald, in die herbstliche Buntheit meiner herzallerliebsten Lieblingsjahreszeit, denke ich weiter über diese Antwort nach. Ich muss zugeben, je länger ich das tue, desto besser gefällt sie mir. Und für alle, die sich jetzt Sorgen machen, ich habe natürlich innerlich bereits angefangen, die Situation zu abstrahieren:
Fehlt es Innen – fehlt es Außen.
Wie oft verhalten wir uns in einem alltäglichen Ausmaß unangemessen uns selbst gegenüber.
Immer wieder lerne ich Menschen kennen, die Dinge tun, die weit unter ihren Möglichkeiten liegen und die sie besser bleiben lassen sollten.
Damit meine ich nicht, dass man sich zu schade sein sollte die Spülmaschine auszuräumen oder für alle Kaffee zu kochen oder Mittagessen zu holen – natürlich nicht. Solche Dienste sind wunderbare Signale auf Beziehungsebene und reichern unsere Beziehungen mit anderen Menschen an!
Ich meine Aktionen, die unsere Beziehung mit uns selbst illustrieren:
Manager, die den Hintern eines Mitarbeiters retten und die lästige Powerpoint-Präsenation selbst erstellen, weil sie es eben besser können und es dann schneller geht. Unangemessen.
Führungskräfte, die sich Berge von Arbeit geben lassen und im Operativen vergraben sind, zunächst ohne Mut und irgendwann ohne Kraft, den Blick wieder zu heben. Unangemessen.
Tolle Leute, die noch dazu ihr Bestes geben und sich, mangels schützendem Selbstbild und entsprechender Strategien, nicht durch setzen können und sich dadurch selbst klein machen und klein halten. Unangemessen.
Menschen, die schweigen, obwohl sie etwas zu sagen haben und den Anderen die „Bühnensituationen“ des Alltags überlassen, Chancen vertun, sichtbar zu werden, mit zu gestalten und ihre Fußspur zu hinterlassen. Unangemessen.
Schlimmer noch, ich persönlich musste an eine, glücklicherweise zurückliegende „Beziehung“ denken, in die ich mich damals verirrt hat. Mit einem Mann, dessen Verhalten weit unter meiner Würde lag. Diese paar diesbezüglichen retrospektiven Zeilen reichen schon aus, um Scham und Kopfschütteln darüber zu erzeugen, wie ich das mit mir machen lassen konnte. Unangemessen.
Gerade in Beziehungen wird so deutlich, welches Selbstbild wir in uns tragen und leider wirken die Erfahrungen, die wir machen, ebenfalls wieder auf unser Bild von uns selbst und unsere Beziehung zu uns selbst ein.
ALSO RAN AN DIE AUFGABEN!
Ran an die Aufgaben. Nicht die Offensichtlichen, die an uns heran getragen werden, sondern die darin liegenden, lohnt es sich ebenfalls zu betrachten. Ist das, was ich mache, überhaupt angemessen? Drückt dies in angemessener Weise aus, wer ich bin, was ich kann, für was ich die Verantwortung übernommen haben – und, nicht zu vergessen, warum ich etwas mache und wo ich hin will?
Und sollte das nicht der Fall sein. Dann sag „Nein“ und damit gleichzeitig „Ja“ zu dir! Denn das ist genau die psychologische Übersetzung des seltenen Wortes „Nein“, wenn wir es an der richtigen , nämlich der notwendigen Stelle einsetzen. Unser „Nein“ ist das fehlende Stück zu uns selbst, das wir damit überbrücken können.
Ran an die NEINS!
Nähre jedes NEIN in dir. Liebevoll und mit Zuversicht. Bis es sich heraus traut.
Keine Angst davor, zu laut, zu anstrengend, zu ungemütlich, zu widerspenstig oder sonst was zu sein, wenn es uns selbst entspricht.
Selbstbesitz ist meines Erachtens DIE META-Variable für nahezu alles Gute im Leben. Beruflich und Privat. Ja, Glück gehört auch zu allem Guten. Aber das können wir nicht beeinflussen. Das bekommen wir geschenkt.
Man kann nicht alles berechnen und antizipieren, aber lernen und üben, treu zu sich selbst sein!
Und irgendwie hat meine Tochter ja auch Recht. Wenn man alles berechnet, gelingt nichts.
Nach dem Kaffee und der Zeit mit mir selbst, bin ich schon einen guten Schritt weiter. Ich werde meine Entdeckung thematisieren. Mir ist wichtig, zu kommunizieren – auch und gerade dann, wenn nicht alles klar ist. Und ich muss noch mal richtig laut lachen. Wer jetzt draußen an unserem Haus vorbei geht, sieht mich alleine laut lachend in der Küche sitzen. Und wenn schon. Am schönsten sehen wir sowieso aus, wenn wir lachen.
Wer oder was hat dich zuletzt so richtig zum lachen gebracht?!
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