„Du kannst der reifste, saftigste Pfirsich auf der ganzen Welt sein
und es wird immer noch jemanden geben, der Pfirsiche hasst.“
(Ditta von Teese)
8.00 Uhr morgens. Fancy Office. Ich werde reingewunken, während eine aufgehitzte Telko noch immer voll im Gang ist.
„Hi! Soll ich wieder rausgehen?“
„Nein, setzt dich.“
Kaffeespezialität folgt.
Nach erhitzter Diskussion wird endlich aufgelegt und wir können unseren Termin mit 20minütiger Verspätung beginnen.
Mir macht das nichts aus. Ich habe immer etwas zu lesen dabei. Und der Lounge-Bereich dieses super stilvoll eingerichteten riesigen Büros ist nicht nur wunderschön, sondern auch total gemütlich.
Mir geht es gut, während mein Gegenüber darüber regelrecht verzweifelt.
Eine attraktive Frau Anfang 40, deren Gesicht bereits um diese Tageszeit – ehrlich gesagt – völlig fertig aussieht.
Ich spüre, dass ihre Entschuldigungen für die Verspätung, im Staccato-Ton vorgetragen, von Herzen kommen. Wir kennen uns inzwischen gut und ich weiß, dass ihre offensichtlichen Verhaltensmuster nur unzureichend mit ihrem Innenleben überein gehen.
Auf die Frage, wie es ihr geht, bekomme ich den Gesichtsausdruck verbalisiert:
„Vanessa, ich bin völlig fertig.
Immer die volle Verantwortung tragen,
immer für die anderen denken und handeln,
immer den Scheiß Karren aus dem Dreck ziehen helfen, den andere hinein manövriert haben.
60-Stunden- Wochen plus Arbeit am Wochenende,
immer Handlungszwang,
Zeit- und Kostendruck,
entnervte Gegenüber und der Versuch, wenigstens die Mannschaft von dem Druck fern zuhalten.
Und es reicht nie!
Meinem Chef nicht,
dem Kunden nicht
Mein Helfersyndrom in Ehren, Vanessa, langsam habe ich echt keinen Bock mehr.“
„Dein Job ist nicht für dich da, wenn es dir schlecht geht.“
„Mein Partner auch nicht“, ist ihre lakonische Antwort.
Und ich erfahre die aktuellen Neuigkeiten aus ihrem Privatleben:
Nachdem sie Weihnachten allein verbracht hat, da ihr On-Off-Freund es vorzieht, dieses Fest aller Feste mit seiner Familie zu verbringen, ist sie Silvester kurz entschlossen in ein aufsehenerregendes Hotel zu einem Yoga-Retreat geflohen, ähm, geflogen.
Eine Situation, mit der sie bereits vertraut ist, da sie nicht zum ersten Mal eine jahrelange Beziehung mit einem verheirateten Mann führt.
Ich fasse es mal in meinen Worten zusammen:
Eigentlich ist sie bisher immer nur mit Männern zusammen gewesen, die ihre Gefühlswelt als Spielplatz für die eigenen Abenteuer betrachtet haben.
Dabei hat sie es jedes Mal todernst gemeint und sich in dem Versuch, den anderen endgültig von sich zu überzeugen, total verausgabt und sich dabei von Beziehung zu Beziehung immer einsamer gefühlt.
Mein Gegenüber will jedoch auch jetzt wieder glauben, dass es dieses Mal klappen könnte:
Wenn Sie beide nur mal mehr Zeit miteinander verbringen könnten, als die obligatorischen Kurztrips als Buinessreisen getarnt und 3 Abende pro Woche, in denen gemeinsamer Alltag simuliert wird.
Freitags fährt er wieder nach Hause und Montags kommt er wieder.
Das verschafft ihr mehr freie Wochenenden als ihr lieb ist.
Natürlich gibt es Routinen. Das Wochenende ist sowieso noch voller Arbeit. Dann Sport, Einkaufen und Samstagsnachmittags auf dem Markt auf ein Glas Weißwein Freunde treffen.
Freunde!
Das sind fast alles Paare.
Paare, deren Entwicklungsbegleiter sie all die Jahre gewesen ist. Menschen, die nicht nur miteinander alt werden, sondern sich gemeinsam verändern. Die einen kommen seit ein paar Wochen mit Kind und Kinderwagen, die anderen mit Hund. Wieder andere gestalten ihr gemeinsames Leben neu, weil die Kinder bereits aus dem Haus sind.
Was die Mehrheit ihrer Freunde verbindet, sie kommen zu zweit. Und nicht allein.
Das tut mal mehr, mal weniger weh.
Ja, wenn sie mehr Zeit miteinander verbringen könnten, dann würde er merken, dass sie wie füreinander geschaffen sind und sich sicher auch endlich von seiner Frau trennen. Dann könnte ihr eigentliches Leben beginnen.
Zusammen ziehen,
zusammen leben,
vielleicht ist auch noch ein gemeinsames Kind drin.
Mit mehr Zeit, könnte sie zeigen, was alles in ihr steckt und aus welchem Holz sie geschnitzt ist.
Dabei weiß selbst ich, dass er seine Frau nicht verlassen will. Dass ihm seine zwei Kinder im Teenageralter völlig reichen, denn das hat er ihr bereits unzählige Male mitgeteilt und sie mir.
Ich hinterfrage, warum sie so selbstverständlich alles auf sich beziehe. Was lässt sie davon ausgehen, dass dies alles nur von ihr abhängt und sie sich nur noch mehr anstrengen müsse, damit es endlich läuft?! Ich ernte ein trauriges Lächeln und den Versuch, diese schmerzhafte Stelle unseres Gesprächs nicht länger ertragen zu müssen, also weiter im Text:
Stattdessen business as usual, alles wie immer: Viel Arbeit, viel Geld, wenig sonstige Anerkennung. Ihr Chef mosert nur rum. Er will immer noch mehr und ist letztlich nie zufrieden. Und zufrieden ist sie auch nicht.
Nicht mit ihrem Job, für den sie so viel arbeitet.
Nicht mit ihren Mitarbeitern, die sich in ihren Augen viel zu oft auf bereits Erreichtem ausruhen und nicht richtig mitziehen.
Nicht mit ihrem Leben, in dem ihre Bedürfnisse viel zu wenig erfüllt werden
und nicht in ihrer Beziehung, die zwar leidenschaftlich ist, dafür keinerlei Verbindlichkeit bietet.
Ankommen ist nicht.
Immer noch nicht.
Was also soll sie noch alles tun, um endlich das zu erleben, wonach sie sich sehnt?!!
Sie möchte, dass wir alles Punkt für Punkt durchgehen, um die jeweiligen Schlüsselpunkte zu eruieren, an denen es sich effektiverweise lohnt zu arbeiten, um
endlich Visibilität und damit verbundene Anerkennung im Beruf,
Flow im Führungsalltag
und den Mann ihrer Träume nicht nur in ihr Bett, sondern an ihre Seite zu bekommen.
„Vanessa, ich bin bereit, mir das zu verdienen. Ich habe schon so viel erreicht in meinem Leben. Das will ich auch schaffen und du musst mir helfen. Also verdammt, wo fangen wir an?!!“
Diese radikale Handlungsbereitschaft, sich selbst gegenüber unbequem zu sein um etwas zu erreichen, hat etwas Soldatisches und wird zweifellos durch die enorm feminine Selbstinszenierung im Außen verdeckt:
Eine Kriegerin in High Heels und Burberrykleid, ihr lockiges Haar in Tiffany gebändigt.
Nein.
Ich widerspreche vehement:
Wir fangen ganz woanders an.
Wir können uns Wertschätzung nicht wirklich verdienen.
WHAAAT?!
Wir können uns Wertschätzung nicht wirklich verdienen.
Wie ich das meinen würde?
Wir gucken uns direkt in die Augen: „Du wirst nie gut genug sein, für Leute, die einfach egozentrisch handeln oder schlicht andere Prioritäten haben.
Bitte begreife: die Bewertung anderer ist nicht halb so relevant, wie es sich momentan noch für dich anfühlt.
Die wichtigste Note ist die, die du dir selbst gibst.“
Schweigen und Tränen folgen.
Nach einigen Wochen wagt sie sich heran und der Moment kommt, auf den ich so lange hingearbeitet habe.
Sie kommt vom Denken ins Fühlen,
vom Reden ins Tun.
Dazu ist eine treffsichere innere Arbeit notwendig, auf die sie sich glücklicherweise eingelassen hat.
Ich weiß, wie viel Struktur sie braucht, um sich wohl zu fühlen. Jetzt erst recht, auf unbekanntem Terrain. Also entwerfen wir gemeinsam einen Schlachtplan, der ihre Beziehung zu den wichtigsten Assets in ihrem Leben qualitativ neu gestaltet. Angefangen mit ihrer Beziehung zu sich selbst, zu ihrem Partner, zu ihrem Chef und ihren Mitarbeitern.
Und natürlich machen wir auch ihre geliebten Listen – 3 an der Zahl:
eine mit den Punkten, die ihr helfen, sich businessbezogen wertsteigernd und abgrenzend zu gleich zu positionieren
eine mit Menschen, die sie in dunklen Momenten anrufen und ganz sie selbst sein kann, und
eine, mit liebevollen Selbsthilfe-Tätigkeiten für Momente, wo sie selbst liebevoll mit sich selbst umgehen müsste, es aber aus sich heraus nicht kann.
Und du? Wo handelst du weit unter deinem eigentlichen Wert? Im kleinen wie im großen?
Manchmal ist es offensichtlich, wenn ein Preisschild dran klebt. Arbeitest du für zu wenig Geld, oder hast nur unzureichende andere Bedingungen zur Verfügung und musst aus Stroh Gold spinnen?
Manchmal braucht es eine Weile, bis du entdeckst, dass etwas, was du als selbstverständlich hingenommen hast, nicht in Ordnung ist.
Ich bin in einem familiären Umfeld aufgewachsen, das sich nicht nur durch routinisierte Lieblosigkeit, sondern auch durch bewusst bösartige Akte von Demütigung und Gewalt beschreiben lässt.
Das hat es mir lange sehr schwer gemacht, zu mir zu finden. Und es hat es mir lange verunmöglicht, mir einen Wert zu zuschreiben.
Irgendwann konnte ich begreifen, je länger ich mich schlecht behandeln lasse, desto mehr glaube ich, dass ich es nicht anders verdiene.
Stück für Stück habe ich verstanden, dass ich mich selbst ebenso schlecht behandele, wenn ich mich weiter diesen Menschen aussetze.
Im wortlosen Gehen als junge Frau lag mein erstes Aufstehen für mich selbst!
Das hat mit Sicherheit mein Leben gerettet, es mir ermöglicht, meine Gaben zu finden und auszuleben und trotzdem kämpfe auch ich immer wieder mit meinem Wert. Und um meinen Wert.
Als Unternehmerin,
als Mutter,
als Partnerin,
als Freundin.
All diese Beziehungen sind vor allem eng mit meinem Selbstwert, mit meiner Beziehung mit mir selbst verknüpft.
Und das ist nicht nur bei mir der Fall, sondern auch bei dir!
Bei all deinen Ambitionen, all deinen Zielen und zukünftigen Erfolgen, vergiss nicht: Du bist schon genug!
Du bist nicht perfekt und brauchst es nicht sein. Perfektion hilft hier nicht. Denn selbst wenn du der reifste, saftigste Pfirsich auf der ganzen Welt sein würdest – es wird immer noch jemanden geben, der Pfirsiche hasst.
Keine direkte oder indirekte Beurteilung der Welt, zeigt deinen wahren Wert.
Du bist genug!