JAHRESRÜCKBLOG 2020
Vanessa Laszlo

Die Abkürzung BC hat für mich eine völlig neue Bedeutung bekommen: BC war ich eine sehr erfolgreiche Psychologin, Top Executive Coach und Organisationsentwicklerin, die relevante Themen mit relevanten Menschen bearbeitet hat – mit relevanten Ausmaßen und relevantem Einkommen. Und 2020 sollte mein finanziell erfolgreichstes Jahr werden. Schon vor Beginn des Jahres hatte ich so viele verbindliche Termine in meinem Kalender, dass ich alleine schon damit das Einkommen der Vorjahre getoppt hätte.Spoiler-Alert: 2020 wurde nicht mein erfolgreichstes finanzielles Jahr.

2020 wurde ein super erfolgreiches Jahr für mich. Ein Jahr, in dem ich richtig hingefallen und wieder aufgestanden bin. Ein Jahr in dem ich all meine dunklen Seiten anschauen musste. Ein Jahr, in dem ich alle Teile von Herr der Ringe, Der Hobbit und Harry Potter angeschaut habe plus alle seasons von Gilmore Girls (keine Sorge, zumindest bei letztgenannten habe ich wenigstens Sport gemacht). Ein Jahr in dem ich verlorene Teile von mir selbst wieder gefunden habe und mir selbst begegnet bin. Ein Jahr, in dem ich mich teilweise businessbezogen neu erfunden habe und mich neu in meine Arbeit verliebt habe. Aber von vorne.

„It takes all the running you can do, to keep in the same place.“

Lange Jahre habe ich mich stellenweise in einer Art rasendem Stillstand befunden. Selbstverständlich ist das eine gefühlte Wahrheit und die Nebenwirkungen großer Involviertheit, hoher Termindichte, Leistungsdrucks und schlicht: meines bisherigen Business-Erfolgs. Und dann kam Corona. Zunächst als kleines „c“ medial vermittelt als irgendwas, was in China passiert.

Dann mit großem C von jetzt auf gleich: die Schulen schließen, alle Termine werden abgesagt. Ich falle, down the rabbit hole – zunächst auf eine riesige sonnige grüne Wiese. Die Majorität meiner inneren Anteile denkt sich: „Wie geil ist das denn?! Ich kann eine Pause machen, ohne Gesichtsverlust, ohne etwas zu verpassen, weil alle eine Pause machen.“ Und drei unsagbar wundervolle Wochen umarmen mich, die ich nie missen möchte und die für ewig in mich eingebrannt sind. Unser „Mutter-Tochter-Retreat“ mit viel Zeit für Finn, meinem alten Hund und engen Freund, der mich bald verlassen wird.

Wir machen täglich lange Fahrradtouren mit Picknick. Wir klettern auf Bäume und über Abgründe und erkunden den Taunus. Meine Tochter entdeckt ein Nest frisch geschlüpfter Uhus am Rande eines Abhangs beim Klettern. Die nächsten Wochen sind von dieser Entdeckung geprägt und wir besuchen die Uhus täglich bis sie flügge sind.Unvergessen eine Tour zu einer schlammigen Stelle eines Flusses, um Blutegel zu fangen. Theoretisch klang das nach einer guten Idee, praktisch war es für mich so was von widerlich. Gefangen, zwischen „Pest oder Cholera“: zwischen dem Weg zu den Fahrrädern zurück durch eine enge Stelle mannshoher Brennnesseln, zwischen deren Blätter märchenhaft große Spinnen wohnen oder durch den blutegelbevölkerten Fluss. Ich höre noch das helle Lachen meiner Tochter, die sich nicht mehr einkriegt über meine missliche Lage. Was sonst noch passiert ist, behalten wir für uns. Nur so viel: Auf dem Rückweg fallen wir mehrfach vor Lachen vom Fahrrad in das weiche Gras unter unseren Rädern. Und Finn springt mit großen Sprüngen neben uns durch das Gras, kraftvoll und glücklich bis zu den wippenden Ohrspitzen.

In diesem Moment weiß ich um mein Glück, ich kann es fühlen und ein Ewigkeitsmoment entsteht. Bilder mit denen ich mich irgendwann, wenn es dann sein muss, aus dieser Welt verabschiede.Im hier und jetzt dieses Moments begreife ich darum. Ich kann nichts festhalten. Nicht dieses Kind, das ich unsagbar liebe, nicht diesen Hund, dessen weite Sprünge und ungebrochene Ausdauer so lange eine Selbstverständlichkeit darstellten und mit dem ich hunderte von Stunden und Kilometer durch Wälder gelaufen bin. Nicht diese unbeschreibliche Mixtur aus Sonne, Wiese, Wind, Gelächter und Lebensfreude.

Nach den ersten Wochen sickert dann das größere Bild durch. Nicht nur die potentielle gesundheitliche Bedrohung, auch die offensichtliche greifbare sehr reale Existenzbedrohung, die entsteht. Glücklicherweise hatte meine persönliche Vorstellung von Erfolg bereits Risse bekommen und ich BC begonnen, mich auf die Reise zu machen, so dass mir dann, im Angesicht der Krise, das nahe liegende war in persönliche Entwicklung, Fortbildung und professionelles Netzwerken zu setzen.

Ich habe relativ zeitnah reagiert. Die Managementdimension der Situation in den Griff bekommen.  – um dann gepflegt abzustürzen. Reaktive depressive Episode würde der fachliche Teil von mir das nennen. Genau genommen sicher nicht im klinisch relevanten Ausmaß, aber deutlich spürbar. Mit der Distanz eines Marsmenschen zu mir selbst kann ich mir beim Hinfallen zugucken:
Bin ich wertvoll ohne Leistung? Kann ich mich selbst lieben, wenn ich nicht so viel Geld verdiene wie gewohnt? Wer bin ich, wenn ich scheinbar nicht gebraucht bin? Wie stehe ich zu mir selbst, wenn ich alle diese tausend vertrauten Bedingungen nicht erfülle, die aus der Lebenskraft und Handlungslogik meines inneren Kindes entstanden sind und mich durch mein bisheriges Erwachsenenleben getragen haben.

Meine Leistungswirklichkeit bekommt einen Riss und damit meine Stabilität auch und ich sehe mich unversehens meinem Grundrauschen ausgesetzt. Einer emotionalen Default- Einstellung, die ich vermutlich nicht nur mit vielen anderen Pflegekindern teile: Die Schwierigkeit, sich selbst gut zu trösten und der empirisch scheinbar validierte Tatbestand: Du bist hier nicht gewollt. Du bist weder willkommen noch bedingungsfrei geliebt.

„Probleme sind Gelegenheiten zu zeigen, was man kann.“ Duke Ellington

Glücklicherweise fällt mir irgendwann ein, dass ich das, was ich mit andere tue auch mit mir selbst tun kann. Ein Selbstcoachingprozess wächst, natürlich auch gespeist durch Auseinandersetzung und Reflexion mit Gegenübern und ich kann mein Vertrauen in mich wieder frei legen.
Diese nach außen erstmal nicht sichtbare und in diesem Sinne leise Arbeit mit sich selbst hat einen enormen Wert. In diesem Tun, erst nach innen und dann im Außen, passiert persönliches Wachstum, Resilienz wächst und Bewältigungsstrategien vertiefen sich – es entstehen neue tragfähige Antworten.
Ich muss nur aushalten, ein Stück alleine zu gehen – ohne Antworten, ohne Lösung und dann fügt sich alles. Und WOW, war dieses Jahr lehrreich.
Stellvertretend 2 Lektionen:

Lektion 1: Es gibt keine Konkurrenz.

Im Eintauchen in die Online-Welt war ich überwältigt. Es gibt Millionen Coaches und andere Anbieter von Persönlichkeitsentwicklung bis zu Heilung. Ich ehemals große Fisch im kleinen Teich bin jetzt ein winziger Guppi im Ozean. Das hat mich manchmal ganz schön eingeschüchtert. Doch ich begreife neu an dieser Stelle: wenn ich einfach ich selbst bin, dann gibt es keine Konkurrenz. Nicht, weil meine zone of genius dann richtig zur Geltung kommt (was trotzdem stimmt, aber darum geht es mir hier nicht), sondern weil ich einzigartig bin (wie du natürlich auch).Und zweites – hang on, jetzt kommt der wesentlich ungemütlichere Erkenntnisteil, der es aber in sich hat. Also zweitens:

Lektion 2: Es gibt nur eine Konkurrenz.

„Heute schaff ich Tiger Joe!“ Ist das Mantra eines Boxers in einem abgeranzten Film, den ich mal zufällig nachts gesehen habe. Darauf angesprochen, dass er doch selbst Tiger Joe ist, antwortet er: „Ein echter Champion will immer nur sich selbst besiegen!“. Ich liebe das.

Auf dem Level, auf dem ich bisher gespielt habe und auf dem ich zukünftig spielen werde, gibt es nur eine competition. Das sind aber nicht andere Leute. Meine competition – das bin ich selbst! Das ist mein Ego, mein Prokrastinieren, meine Passivität, die ganzen Ablenkungsmanöver, die ich fahren kann, anstatt einfach zu MACHEN. Mein Gejammer, mein Selbstmitleid, dass mich bindet und nicht motiviert. Dagegen darf ich konkurrieren und dagegen darf ich gewinnen!
Je nachdem, wie man es betrachtet, ist das entweder brutal schwer oder leicht. Zum Glück weiß ich, wie das geht: Aufhören zu jammern, Selbstliebe und Selbstwert nähren und das hilft mir zurück in meine Selbstwirksamkeit. Und ich weiß jetzt, dass meine signature leadership Formel auch auf mich selbst angewandt, hervorragend funktioniert.

Everything you want is on the other side of fear.

Ich habe seit ich 19 Jahre alt bin mit Gruppen gearbeitet. Jahre meines Lebens täglich! Im Knast, in der Erwachsenenbildung, in der Jugendhilfe, an der Uni, im Rahmen von Organisationsberatungen, Führungstrainings etc. Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass ich sehr erfahren bin in der Arbeit mit Gruppen. Kleine, große und sehr große Gruppen. Ich habe nicht gezählt, was strategisch blöd war, denn die Zahl wäre statuspsychologisch super verwertbar.Jetzt sitze ich in meinem Arbeitszimmer vor meinem Imac mit trockenem Hals in einer surrealen Situation. Ich soll jetzt auf „On“  drücken und dann schauen mir fast 200 Menschen zu, wie ich meinen allerersten Online-Workshop Realität werden lasse. Sie sehen mich und ich sie nicht. So müssen sich Schauspieler fühlen, die in der Greenbox gegen Drachen kämpfen oder Massen begeistern. 200 Teilnehmende sind keine Masse, aber gemessen an meiner  Erwartungshaltung, dass sich vielleicht 20 Leute anmelden, doch ein ermutigendes Zeichen.
Eine sehr erfahrene und geschätzte Kollegin, die ich gebeten hatte teilzunehmen (somit hatte ich zumindest 1 Teilnehmerin sicher) ruft mich im Anschluss an und sagt mit ihrem schweizerischen Akzent: „Vanessa. Mann kann es vielleicht anders machen, aber nicht besser!“ Diesem positiven Feedback folgen viele andere und tragen mich in mein erstes Programm.

Mein erstes Online-Programm startet. Ein weiteres folgt. Kunden sind begeistert. Es geht neu voran in der Arbeit mit Gruppen. Ich kann meine zwei festangestellten Mitarbeiter weiter beschäftigen und muss sie nicht kündigen.
In 2021 starten zwei meiner neuen Programme, die mich vor Freude springen lassen, weil ich so überzeugt bin, dass sie vielen Menschen enorm helfen werden. Ein Businessprogramm für Menschen, die ihre Führungsverantwortung noch erfolgreicher leben wollen und mein bisher persönlichstes, therapeutischstes Programm für alle, die ihr nächstes Level erreichen wollen.

Es gibt immer Luft nach oben: Ein guter dritter Platz.

Mein self-assessment kommt zu dem Schluss, dass mir für das gesamte Jahr nicht der 1. Platz auf meinem persönlichen Siegertreppchen gebührt. Dafür habe ich zu oft nicht mitgespielt. Ich gebe mir selbst einen sauber verdienten dritten Platz, den ich voller Stolz und Freude einnehme.

An dieser Stelle möchte ich Sigrun, meiner Businessmentorin und Lynn, meinem Coach, danken. Nicht nur dafür, dass ihr mich daran erinnert habt, dass ich eine Gewinnerin bin. Vor allem dafür, dass ihr gänzlich unbeeindruckt von meinen Entschuldigungen seid! Und ohne Somba Accelerator hätte ich sicher nicht so schnell mein erstes Programm erfunden und gelauncht!
Mein Dank gilt darüber hinaus allen Weggefährtinnen für Ihr Mitdenken, Mitfühlen, Reflexion und Feedback, Impulse und Inspiration. Inzwischen bin ich Teil zweier toller Business-Netzwerke, lasse mich regelmäßig coachen, stehe im engen kollegialen Austausch für Inspiration und natürlich Feedback. Wie gut um all die großartigen Menschen da draußen zu wissen, die auf einem ähnlichen Weg unterwegs sind.

In 2020 lag der Fokus meiner Arbeit, anders als in den Jahren zuvor, nicht auf Gruppen, sondern auf 1:1- Formaten. Das hat es mir ermöglicht, in einer leiseren Weise relevante Arbeit zu tun. Und auch hierbei wurde viel gelacht, manchmal geweint, große Schritte getan, strategisch versiert gehandelt, Erwartungen übertroffen, Ziele erreicht und Erfolg vergrößert. Und ich konnte so viel wie schon lange nicht  mehr ganz explizit mit Hypnose arbeiten und auf Wunsch noch mehr therapeutische Elemente in meine Art des intensiven Coachings einfügen. Das hat mir große Freude bereitet und mich zu neuen Formaten inspiriert. Ja, da kommt noch was…!

In 2020 hat sich unserer Familie vergrößert. Finn hat eine kleine Schwester bekommen und wir einen weiteren Freund mit Fell: Fluse.
Vor allem meine Tochter profitiert enorm von der Erweiterung des Rudels. Und ich habe endlich wieder einen Joggingpartner, dessen leichtfüßige fröhliche Präsenz mich glücklich macht. Wir haben viel Familienzeit genossen, lange Wanderungen gemacht und vor allem auch Nachtwanderungen celebriert und viel miteinander gespielt. Meine Tochter hat dabei gelernt, wie man mit Würde verliert. Auch wenn es schwer fällt, schütteln wir nach einem Spiel dem Sieger anerkennend die Hand.

„It´s no use going back to yesterday, because i was a different person then.“

Sagt Alice. Ich sage: 2020 war für mich herausfordernd, erhellend und mit wachsendem Selbstbesitz versehen. Ein Jahr, in dem ich buchstäblich durch ein Kaninchenloch gefallen bin, in eine äußerst verwirrende, Alltags-Musterunterbrechende Welt. Ein Jahr, in dem es (für uns alle) viel auszuhalten gab. Ob wir bereits im vielzitierten „new normal“ angekommen sind oder uns ein Virus weiterhin auf seine atemberaubende Weise zu neuen Veränderungen zwingt, die unsere Normalitätswahrnehmungen ad absurdum führen – es gibt sowieso  kein zurück zu Gestern. Denn ich bin gewachsen und habe mich verändert. Darf ich mich daher neu vorstellen: Ich bin Vanessa. Mutter, Ehefrau, Tierfreund, eine sehr erfolgreiche Psychologin und nach gefühlten hundert Jahren Offline-Arbeit: endlich junge Online-Unternehmerin! Hey, immerhin bin ich in dieser Hinsicht damit noch „officially young“!

2020 ist ein Jahr für das ich dankbar bin. Sehr dankbar. Eine exquisite Lektion im Aufstehen. Das ist zwar manchmal schwer, aber wach sein ist nun mal die Voraussetzung, um meine Träume zu verwirklichen!